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AKTUELLE MITTEILUNGEN

Plenarrede zum Bericht des Untersuchungsausschusses 18/1 Flutkatastrophe

Anrede,

zunächst mal herzlichen Dank lieber Martin Haller für den Vortrag als Ausschussvorsitzender.

Wir setzen heute den Schlusspunkt hinter eine intensive Arbeit im Untersuchungsausschuss, in dem wir uns als Mitglieder gemeinsam den besonderen Herausforderungen, den Fragen und den Schicksalen der Betroffenen gestellt haben – immer in dem Wissen welche Verantwortung wir tragen, um diese schreckliche Katastrophe aufzuklären. Wir haben gemeinsam nach Lösungen gesucht, um die Verantwortlichkeiten klar zu benennen und wollten sicherstellen, dass sich eine solche Katastrophe nicht wiederholen kann. Dafür danke ich allen Beteiligten ganz herzlich.

Ich glaube, dass wir durch die Arbeit dieses Ausschusses, der vom Willen nach Aufklärung einer politischen Verantwortung getragen wurde, dazu beigetragen haben, dass die Menschen ein Stück Vertrauen in die Politik zurückgewinnen konnten.

Heute ist nun der Tag der Bewertung eines Ereignisses im Norden unseres Bundeslandes nach feststehenden Fakten, es ist der Tag der öffentlichen Erörterung und der Diskussion über die Ergeb-nisse der Arbeit unseres parlamentarischen Untersuchungsausschusses. Heute ist der Tag der Definition von politischer Verantwortung für beschämendes Versagen in einer grausamen Katastrophe. Heute geht es nicht um Details im klein-klein, sondern um die kritische Bestandsaufnahme der Funktionalität unseres Staates mit Blick auf das grundsätzliche Versprechen der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger.

Sicherheit, Leben, Gesundheit und der Schutz von Hab und Gut vor den Gefahren der Natur. Diese Bestandsaufnahme fällt leider in sehr vielen Elementen negativ aus. Die Landesregierung wird sich heute entspannt zurücklehnen. Es wird keine personellen Konsequenzen mehr geben. Der grüne Staatssekretär und der sozialdemokratische ADD-Präsident als Hauptakteure des Versagens werden von einem politischen Schutzschirm gedeckt, der zur Verteidigung der Landesregierung und der ehemaligen Ministerpräsidentin Marie Luise Dreyer aufgespannt wurde.

Die regierungstragende Mehrheit in diesem Haus hat sich aus Parteiräson dazu entschieden, die Mäntel des Schweigens, des Vertuschens und des Schönredens über die Hintergründe einer Katastrophe zu werfen, die das idyllische Leben der Menschen im Ahrtal und in der Eifel grausam und brutal getroffen hat.

Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 wurde für das Ahrtal und in den Kreisen Vulkaneifel, Trier-Saarburg und Bernkastel-Wittlich zu einem realen EndzeitFilm mit unfassbaren Auswirkungen. Bäche verwandelten sich in reißende Flüsse, die ganze Ortschaften wegspülten. Die blühende Landschaft, die die Menschen ihr Zuhause nannten, wurde zu einem AlbtraumKrater.

135 Menschen verloren in dieser verheerenden Nacht allein in Rheinland-Pfalz ihr Leben. Hunderte wurden verletzt und kämpfen noch heute mit den körperlichen und seelischen Folgen dieser Tragödie. Abertausende haben ihr Hab und Gut durch die Wassermassen verloren. Häuser, die einst Schutz boten, wurden in Sekundenschnelle von den Fluten mitgerissen. Stein auf Stein erbaute Erinnerungen. Zukunft und Träume. Alles verschwand in tosendem Wasser.

Die Bilder, die uns aus dem Ahrtal erreichten, waren von den ersten Minuten an erschütternd: Verzweifelte Menschen, die auf den Dächern ihrer Häuser um Hilfe rufen und Taschenlampen schwenken, schier unendliche Schlammwüsten, die einst malerische Landschaften und Dörfer waren, und danach eine Stille, die für den Verlust so vieler Lebensgeschichten sprach.

Diese Katastrophe war nicht nur ein Wetterphänomen. Sie war ein Wendepunkt, der nicht nur die Menschen im Ahrtal, sondern in ganz Deutschland auf die Probe stellte. Aber diese düstere Katastrophe zeigte auch, was Menschen im Stande sind, füreinander zu leisten und zu helfen.

Wir sind heute hier, um die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses Flutkatastrophe zu besprechen, den die CDU-Landtagsfraktion im Herbst 2021 beantragt hat.

Die Zahlen und Fakten unserer Arbeit, die Anzahl der Zeugen und der zu sichtenden Dokumente hat Ihnen der Vorsitzende des Ausschusses gerade vorgetragen. Doch nicht nur darin unterscheidet sich dieser Untersuchungsausschuss von anderen. Es waren die vielen Opfer und tausende von dieser Katastrophe direkt Betroffenen – körperlich, materiell und seelisch – die die Arbeit von uns Abgeordneten, unseren Mitarbeitern und die Umstände der Beweisaufnahmen bestimmt haben.

Es wurde still in den Sitzungen, wenn Zeugen ihre Erfahrungen direkt aus der Flutnacht – aus dem Geschehen heraus berichteten. Es waren emotionale Schilderungen von Menschen, die unaussprechbar Schlimmes erleben und mitansehen mussten. Still war es auch, als der Ausschuss zum ersten Mal die Videos der Polizeihubschrauberstaffel mit den dramatischen Aufnahmen gesehen hat.

Und es waren die Momente, bei denen es gemeinsame Anerkennung, ja sogar Beifall im Ausschuss gab, nämlich dann, wenn Zeugen – stellvertretend für viele – von ihren unermüdlichen, selbstlosen und mitunter auch lebensgefährlichen Einsätzen berichteten – in denen sie oft über ihre eigenen Kräfte hinaus gingen.

Exemplarisch an dieser Stelle, der heldenhafte Einsatz der Besatzung des Rettungshubschraubers AirRescue Nürburgring. Trotz fehlender Winde am Hubschrauber retteten sie in einer wagemutigen Aktion fünf Menschen auf dem Campingplatz Stahlhütte. Diese selbstlose Entschlossenheit, anderen Menschen in ihrer Not zu helfen, begegnete uns sehr oft und zeichnete ein bemerkenswertes, ja großartiges Bild gesellschaftlichen Zusammenhalts in unserem Land und in unseren Nachbarländern.

Es waren die vielen Feuerwehrleute, die Angehörigen des THW, die Helfer der anderen Hilfsorganisationen und so viele mehr aus dem Ahrtal selbst, und aus den Nachbarkommunen, die trotz mitunter eigener Betroffenheit bis zum Umfallen gegen die Fluten gekämpft haben. Ohne diese Helden wären viele Menschen heute nicht mehr am Leben. Ohne ihren selbstlosen Einsatz in diesen Stunden wäre es noch sehr viel schlimmer gekommen.

Deshalb möchten wir als Fraktion vollkommen unabhängig von den Ergebnissen der Beweisaufnahme, und ich glaube sogar sagen zu dürfen, wir als Parlament, denjenigen unseren aufrichtigen Dank, unsere Anerkennung und unseren tiefen Respekt aussprechen, die so viele Menschen in dieser Nacht retten konnten und die in den Stunden, Tagen und Wochen danach über die eigenen Kräfte hinaus schier unvorstellbares geleistet haben.

Dem Bericht des Vorsitzenden kann die CDU-Fraktion zustimmen. Unser ausdrücklicher Dank geht aber auch an das Ausschusssekretariat für die hervorragende Arbeit. Soweit die Gemeinsamkeiten. Über 1.200 Seiten Beweisaufnahme sprechen eine ganz andere, klare Sprache als die Mehrheitsmeinung der Ampel-Fraktionen uns weismachen will. Jeder kann es lesen, jeder kann es erkennen, jeder kann es mit Händen greifen, dass die Ampelmehrheit auf eine populistische Art und Weise selbst klar belegbare Fakten ausblendet.

Es wird sicher gleich auch hier noch zu verfolgen sein, dass die frühe Wortgebung der Landesregierung – schon ab dem ersten Tag nach der Katastrophe – zur allgemeinen politischen Sprachregelung und damit letztlich auch zum Ermittlungs-Maxime der Ampelkoalition wurde.

Das große Aufklärungs-Versprechen von Regierung und den Fraktionen von SPD, Grüne und FDP erschöpft sich selbst heute noch alleinig im ausgestreckten Zeigefinger auf den damaligen Landrat des Landkreises Ahrweiler und seine auch für uns ohne Zweifel belegte und unentschuldbare Verantwortung-Verweigerung und den Missständen vor Ort. Das ist alles. Mehr kam von den regierungstragenden Fraktionen nicht. „Gehen sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen!“

Die fehlende Einsicht, trotz aller offensichtlicher, aller individueller und aller politischer Fehler auf Landesebene, auf die ich jetzt auch gleich eingehen werde, diese fehlende Einsicht zeigt, dass das Nicht-Eingestehen wollen von Verantwortung, das Nichtstun in der Hoffnung, dass es schon ein anderer machen wird, dass das nicht nur in Berlin, sondern auch in besonderer Art und Weise in Rheinland-Pfalz zum festen Programm des politischen AmpelHandelns geworden ist.

Die stille Hoffnung, die Öffentlichkeit werde den schönen und gefühlsbetonten Worten Glauben schenken, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Man wird Ihren Worten nicht mehr glauben können, man wird Ihnen nicht mehr vertrauen können.

Die Auszeichnung von vier Journalisten aus Rheinland-Pfalz für Ihre Ermittlungen nach der Hochwasserkatastrophe sind zurecht erfolgt. Als im Jahr 2016 das Wort „postfaktisch“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gewählt wurde, ahnte niemand, dass den politisch Verantwortlichen in Rheinland-Pfalz die emotionalen Effekte von Wortgebungen vor allem für die eigene Zielgruppe wichtiger wurde als ihr objektiver Gehalt, und das verbunden mit einem überschütten der Öffentlichkeit mit irrelevanten Fakten zur Ablenkung vom Wesentlichen.

Bestes Beispiel dafür ist die Aussage der ehemaligen Ministerpräsidentin nach der Katastrophe, es gelte nun den Blick nach vorn zu werfen, um die Folgen der Katastrophe bestmöglich zu bewältigen. Dieser Versuch der Vernebelung von Verantwortung ist gescheitert. Allein ein übersteigerter politischer Egoismus verhinderte die Bitte auf Entschuldigung für das überwiegend staatliche Organversagen. Das wird nun Ihr Ballast der nächsten Jahre sein Herr Ministerpräsident Schweizer.

Für die CDU-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz sind die Ergebnisse der Beweisaufnahme klar und eindeutig.

Dabei lässt sich folgendes festhalten: Zuerst müssen wir erkennen, dass trotz der unvermeidlichen Fehleinschätzungen, die selbstverständlich in Katastrophensituationen auftreten können, viele Entscheidungen und Handlungen, vor allem bei den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräften vor Ort, über die üblichen Erwartungen hinaus richtig getroffen worden sind. Das ist für uns ganz besonders wichtig zu betonen, weil es im Folgenden eher um das Unterlassen, als um das fehlerhafte Handeln in einer Katastrophe geht.

Obwohl die Konsequenzen dieselben sind, werden Handlungen immer stärker beobachtet als Unterlassungen. Das Unterlassen einer Handlung wird als weniger schlimm wahrgenommen als eine aktive Handlung. Dabei zeigten uns Helmut Schmidt bei der Elbeflut oder Matthias Platzeck bei der Oderflut, dass es in einer Katastrophe auf das Handeln ankommt, deshalb verteidigen wir die ehrenamtlichen und hauptamtlichen Kräfte vor Ort vor der Kritik und wir verurteilen das kollektive Unterlassen der Landesregierung, der Landesbehörden und des Landrates Dr. Pföhler.

Vorab ist es wichtig, auch auf die gravierenden Mängel der Warninfrastruktur und des Warnsystems hinzuweisen. Beide waren insgesamt grob fehlerbehaft. Die Warnungen wurden nicht nur zu spät ausgegeben, sondern waren darüber hinaus für die Betroffenen auch mit unklaren Inhalten versehen.

Gerade auch die vom Land herausgegebenen Hochwasserinformationskarten boten, durch die fehlende Berücksichtigung historischer Hochwässer, nur eingeschränkten Aussagewert und waren in ihrer Verständlichkeit unzureichend. Hier muss dringend für alle Teile des Landes nachgebessert werden.

Wir konnten eindeutig feststellen, dass im Zeitraum vor der Flutkatastrophe, also insbesondere zwischen dem 10. und 13. Juli 2021 ausreichend Informationen, wie beispielsweise vom Deutschen Wetterdienst und EFAS, vorhanden waren, um als Experten die Situation bewerten zu können. Unter den Experten im Land kursierten Sätze wie „Dann werden wir sehen, ob die angekündigte Sintflut kommt“.

Bedauerlicherweise mussten wir aber auch feststellen, dass aus diesen Informationen nicht die notwendigen konkreten Handlungen, Maßnahmen und Warnungen für die Bevölkerung abgeleitet wurden. Die Experten hierfür saßen klar auf Landesebene.

Es hat uns zutiefst erschrocken, dass die Landesregierung in ihrer Kommunikation – sowohl intern als auch nach außen – vollkommen unzureichend agierte. Die drohende Katastrophe war bereits frühzeitig erkennbar, wie zum Beispiel eine Mail der damaligen Präsidentin des Landesamtes für Umwelt, Frau Riewenherm am 14.07. um 18:24 Uhr zeigt, ich zitiere: „Hier bahnt sich eine Katastrophe an“.

Eine Reaktion der Landesregierung darauf blieb vollständig aus. Das ganze Wettergeschehen in dieser Nacht war weder unvorhersehbar noch unvorstellbar. Achten Sie mal bei meinen nachfolgenden Rednern auf die Wortwahl bei der Beschreibung der Katastrophe. Die Verwendung von „unvorhersehbar“ und „unvorstellbar“ dient lediglich dem Kleinreden eigener Verantwortung.

Nun, mit einem mag man nicht gerechnet haben können. Mit der verschärfenden Kaskadenwirkung kollabierender Brücken durch die Verklausungen und den dadurch bewirkten Aufstau- und Sturzflutcharakter der die Schäden um ein vielfaches vergrößerte.

Es gab im Land keine Kommunikation, keine Zusammenkunft, keinen Abgleich des Kenntnisstandes, keine Absprache über erforderliche Maßnahmen, keinen Kontakt zu den Krisenstäben vor Ort und keine Reaktion an die Öffentlichkeit oder die Medien. Im Gegenteil: Alle Vertreter dieser Landesregierung gaben in den Vernehmungen an, sie seien davon ausgegangen, dass der Katastrophenschutz funktioniere.

Man verließ sich darauf, dass die jeweiligen anderen Ministerien aktiv und angemessen reagieren würden oder man machte sich wie Herr Staatssekretär Manz, der ja die warnende Nachricht von Frau Riewenherm erhalten hatte, nach dessen eigenen Worten ein Bierchen auf und setzte sich vor den Fernseher.

Keiner von Ihnen oder von der Führung in Ihren Ministerien und nachgeordneten Behörden stellte sich die Frage, ob es nach den zunehmend eingehenden Informationen wohl zu einer schlimmen Katastrophe vor Ort kommen könne. Sie vergewisserten sich eben nicht – vielleicht ja auch bewusst nicht –, ob wirklich alles getan wurde, um die Menschen zu warnen oder zu retten. Stattdessen vertrauten sie blind auf ein Warnsystem, das nicht eingeübt war und nur rudimentär funktionierte.

Die ersten dreißig Seiten unseres Sondervotums zeigen die Fehler und Versäumnisse allein in diesem präventiven Bereich des Hochwasserschutzes auf. Diese Versäumnisse, meine Damen und Herren, kann man mit dem Wort „unvorstellbar“ bezeichnen. Und es ist auch ein Name zu nennen, der mit diesem Desaster persönlich verbunden ist, der als langjähriger Abteilungsleiter fachlich die falschen Weichen gestellt hat, dann die grüne Karriereleiter bis zum Staatssekretär erklommen hat und der als Schaltstelle, als wichtigster Knotenpunkt im Gefüge des Hochwasserschutzes komplett versagt hat. Dr. Erwin Manz!

Es ist aber insgesamt ein Offenbarungseid; ein trauriger Akt der Inkompetenz dieser Landesregierung, dass sich zu keinem Zeitpunkt jemand die grundlegende Frage gestellt hat: Könnte es nach den immer eindringlicheren Informationen tatsächlich zu einer katastrophalen Situation vor Ort kommen? Könnte es noch schlimmer kommen? Diese Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren der Landesregierung, hätte nach Ihrem Amtseid oberste Priorität haben müssen!

Zudem mussten wir bedauerlicherweise feststellen, dass zu wenige, selbst der hochgelobten Akteure auf der Landesebene, die dramatischen Entwicklungen am Oberlauf mit der Bitte um Luftunterstützung zur Menschenrettung, richtig interpretierten und somit auch nicht die notwendigen Schlussfolgerungen, für die unterhalb gelegenen Gebiete zogen.

Es bleibt also die Tatsache übrig, dass sich die Landesregierung nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit vergewisserte, ob wirklich alles getan wurde, um die Menschen in Gefahr rechtzeitig zu warnen oder in Sicherheit zu bringen. Sie vertrauten auf das Warnsystem, das nicht ausreichend erprobt war und dessen grundlegende Funktionsfähigkeit erwiesen untauglich war. Schließlich hätten sie aufgrund der fehlenden Warnungen vor Ort auf das erhebliche Informationsdefizit in der Technischen Einsatzleitung des Landkreises schließen müssen. Ihre Ausflüchte, nur dort sei man aufgrund der Ortskenntnis in der Lage zu handeln, verkennen Ihre eigene Verantwortung für die Menschen in diesem Land.

Und so haben sie auch während der laufenden Katastrophe als Landesregierung nicht alles versucht, um sich ein aktuelles Lagebild zu verschaffen. Damit fehlte es auch an der Einsicht darüber, dass die Landesregierung die Leitung der Katastrophenbewältigung schon tatsächlich innehatte. Und diese Einsicht fehlte, obwohl ausreichend Anhaltspunkte dafür vorlagen.

Die Bemühungen, sich ein „Bild von der Lage“ zu machen, schienen wohl eher darauf abzuzielen, dass man sich selbst durch das Vorspielen von Aktivität in ein positives Licht rückt, anstatt aktiv und wirkungsvoll zum Wohl der Menschen zu handeln. Passivität dominierte auf höchster Führungsebene, und der „Generalstab“ blieb fast vollständig im Hintergrund oder ging schlafen.

Entspricht das der Tatsache oder sollen wir diesen Zustand nur glauben? Vielleicht haben sie auch alles gewusst und doch nichts getan. Wir konnten nie vollständig klären, was in dieser Nacht wirklich passiert ist. Wir können und wollen nicht glauben, dass sie sich mit dem vorhandenen Wissen in den schlimmsten Stunden schlafen gelegt haben. Wer will in so einem Land leben? Unabhängig davon welche Lesart die richtige ist. Eins bleibt unausweichlich festzuhalten: Sie haben die Menschen im Stich gelassen.

Die Besuche „vor Ort“ des ehemaligen Innenministers und des immer noch im Amt befindlichen ADD-Präsidenten Thomas Linnertz geben deshalb erheblich Anlass zur Kritik. Anstatt sich ihrer eigenen Zuständigkeit nach dem Landesgesetz zur Bewältigung von Katastrophen zu stellen, haben sie sich von der Verantwortung distanziert und sie haben als Kapitäne die Brücke verlassen, ohne den Betroffenen die angemessene Unterstützung zukommen zu lassen.

Es ist von Ihnen als Ampelkoalition ausnahmsweise mal nicht bestritten, dass es während der Katastrophe zahlreiche Wissensfragmente und wichtige Erkenntnisquellen gab – sei es vom LfU, der SGD Nord, den örtlichen Polizeibehörden, dem ADAC-Hubschrauber Christoph 23 oder den Hubschrauberstaffeln aus Hessen und Rheinland-Pfalz.

Aber keine dieser Quellen wurden auf Landesebene zusammengeführt, weder zu Beginn der Warnungen noch im Verlauf der Ereignisse bis einschließlich des 15. Juli 2021. Und alle diese wichtigen Erkenntnisquellen lagen exklusiv der Landesregierung vor. Die Technische Einsatzleitung in Ahrweiler ließ man ahnungslos. Und deshalb ist es so unredlich, sich als Landesregierung zusammen mit den tragenden Fraktionen von SPD, Grüne und FDP hinter der unentschuldbaren Verantwortungs-Verweigerung des Landrats Jürgen Pföhler zu verstecken. Und das nur, um damit das eigene Führungsversagen, das Desinteresse und die begangenen Fehler zu kaschieren.

Herr Pföhler hat als Landrat in dieser Situation auf ganzer Linie versagt und Sie meine Damen und Herren haben als Landesregierung versagt. Der Versuch, die Verantwortung abzuwälzen, fällt mit voller Wucht auf Sie zurück.

In allen drei Phasen – vor, während und nach der Katastrophe – wurden im Verantwortungsbereich der Landesregierung gravierende und überraschend schwere Fehler gemacht. Diese sind nach dem Untersuchungsausschuss für alle offensichtlich. Mit Ausnahme der Ampel, wie man deren Bewertungsteil entnehmen kann. Und mit Ausnahme von Ministerpräsident Schweitzer, wie man der Presse entnehmen kann. Diese Versäumnisse müssen zu einer deutlich stärkeren Wahrnehmung politischer Verantwortung führen, als es aktuell der Fall ist.

Lassen Sie mich in aller Deutlichkeit und Klarheit aber auch mit großer Enttäuschung betonen: Die Rücktritte von Frau Spiegel und Herrn Lewentz wurden ja noch nicht einmal mit deren offenkundiger Untätigkeit und deren Fehler begründet, die sie vor, während und nach der Katastrophe begangen haben. Es gab und gibt bis heute keine Einsicht über eigene politische Verantwortung. Und so ist es auch vollkommen inakzeptabel, dass Staatssekretär Dr. Manz und ADD-Präsident Linnertz trotz einer im Untersuchungsausschuss nachgewiesenen Unfähigkeit weiter in ihren Ämtern verbleiben.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben gegenüber der Presse erklärt, es gäbe keine neuen Erkenntnisse nach dem Abschlussbericht des Ausschusses. Das ist am Ende auch gar nicht so sehr erstaunlich. Sie saßen ja vor der Flut am Kabinettstisch, während der Flut am Kabinettstisch und sie saßen nach der Flut am Kabinettstisch, waren also „mittendrin statt nur dabei“. Wenn Sie sagen, dass Sie durch den Bericht des Untersuchungsausschusses keine neuen Kenntnisse erhalten haben, müssen wir davon ausgehen, dass Sie die ganze Zeit über persönlich bestens informiert waren.

Dass Sie Herrn Dr. Manz und Herrn ADD-Präsident Linnertz im Amt belassen, das zeigt in Anbetracht der Schwere des Versagens eine schwer zu ertragende Ignoranz gegenüber den Menschen in unserem Land und besonders gegenüber den Opfern dieser Katastrophe. Diese Fortsetzung der Politik Ihrer Vorgängerin und die Gleichgültigkeit vor der politischen Verantwortung, wird nun auch mit Ihrer Amtszeit verbunden bleiben. Sie steht symbolisch nur geringfügig hinter den unsäglichen Urlaubsskandalen der ehemaligen stellv. Präsidentin der ADD in der schlimmsten Zeit der Katastrophenbewältigung.

Wie auch damals Marie Luise Dreyer, verwenden Sie selbst nun die Devise des „Blick nach vorn“, um die notwendige Phase der Reflexion und kritischen Auseinandersetzung mit dem Organisationsversagen bewusst zu umgehen.

Verantwortung, selbst für eigene Fehler, tragen grundsätzlich andere. Wir müssen uns fragen, ob das der richtige Weg für Rheinland-Pfalz ist. In Anbetracht der festgestellten Missstände muss ich Sie erneut auffordern: Entlassen Sie die Herren Dr. Manz und Linnertz aus ihren Ämtern. Es ist höchste Zeit, dass wir die Glaubwürdigkeit ganz zurückerobern und dass wir alle zur politischen Verantwortung ziehen, die in der schlimmsten Katastrophe unseres Landes versagt haben.

Die ehemalige Ministerpräsidentin hat im Rahmen ihres Rücktritts wiederholt erklärt, sie sehe für das Versagen ihrer Landesregierung vor, während und nach der Flutkatastrophe – und auch für eigene individuellen Fehler – keine Anhaltspunkte. Diese fehlende Einsicht und das Fehlen einer Entschuldigung setzen Sie nun gerade fort Herr Ministerpräsident. Ein solches Versäumnis belastet diese Ampelregierung erheblich und darf nicht länger ignoriert werden. Lassen Sie es mich Ihnen abschließend sagen, wie es ist: Die fehlende Einsicht und die mangelnde Demut werden dauerhaftes Zeichen menschlicher Schwäche bleiben, und das ist nun auch mit Ihrer Amtszeit verbunden.

Die Regenmengen, die das Ahrtal und dessen Bewohner heimgesucht haben, konnte niemand verhindern und schon gar nicht aufhalten. Ihre Folgen waren ohne jeden Zweifel verheerend. Was wäre zum Schutz der Menschen vielleicht alles möglich gewesen, wenn die Landesregierung ihre Verantwortung übernommen hätte und gehandelt hätte und nicht unterlassen?

Wir müssen aber mit Bedauern feststellen: Es sind viel zu viele Menschen gestorben und verletzt worden. Es haben viel zu viele Menschen jegliches Hab und Gut verloren. Es sind viel zu viele Menschen an den von Ihnen zu verantwortenden bürokratischen Verfahren im Wiederaufbau zerbrochen.

Deshalb sind wir fest davon überzeugt und teilen die gleiche Auffassung wie es auch die Rhein-Zeitung schon vor langer Zeit geschrieben hat: Politische Verantwortung endet nie! Das dauerhafte Wegducken dieser Landesregierung werden Ihnen die Menschen im Ahrtal und auch im restlichen Rheinland-Pfalz niemals verzeihen.